Arsch in der Hose

Ali hat mich auf einen Artikel zum Förderpreis Deutscher Film aufmerksam gemacht, sein Kommentar dazu: Mal was Amüsantes – da hatte mal wer einen Arsch in der Hose!

Gegen Schluss des Artikels steht da zu lesen:

Ich finde, jeder Film, der überhaupt fertig geworden ist, müsste schon ausgezeichnet werden. Es bedeutet eine solche Anstrengung, einen Film zu drehen – wenn man dann für einen Preis nominiert ist, und der wird nicht vergeben, weil es da irgendwelche internen Konflikte gibt, das ist schon sehr bitter und deprimierend.

Natürlich ist es anstrengend einen Film fertig zu kriegen, wie überhaupt alles irgendwie anstrengend ist. Was ist falsch daran sich anzustrengen?

Das ganze erinnert mich peinlich an Diskussionen wie sie bei einem Foto-Amateurverband geführt wurden und die sich darum drehten, wie viele Wettbewerbsbilder ausgezeichnet werden sollten – dabei ging es vor allem um einen Prozentsatz, um die Grössenordnung von 30%. Darüber, welche Kriterien ein Bild erfüllen soll um ausgezeichnet zu werden wurde kaum diskutiert. Obiges Zitat könnte also auch lauten:

Ich finde, jedes Bild das überhaupt eingesandt wurde , müsste schon ausgezeichnet werden. Es bedeutet eine solche Anstrengung, einen beliebiges Bild in ein Couvert zu stecken und auf die Post zu bringen … wenn man dann nicht 30% davon prämiert kriegt ist das schon sehr bitter und deprimierend.

Gruss
Andreas

Unbeholfene, überbelichtete Bilder

Über folgenden Text bin ich gestolpert:

After wasting an afternoon taking pictures of a broken tricycle, moss on trees, and the shadow of a wrought-iron fence, Churchill Alternative High School senior Jessica Ivers falsely informed family and friends Saturday that she was getting into photography. «I love the way real film looks,» said Ivers, who has owned the old single-lens reflex 35 millimeter camera for exactly one week, and named as her favorite photographers «probably Diane Arbus» and the French guy who took the picture of the boy with the wine bottle. «I’m really fascinated by textures, and I think I’ll be able to get some good shots of my grandma’s hands this weekend.» Sources close to Ivers expect the camera to join her clarinet and yoga mat under her bed once she pays $14.85 to develop the roll of clumsy, overexposed images.

Der Text liess mich etwas ratlos zurück. Da ist der eigenartige Umstand, dass eine Nichtnachricht portiert wurde … ein etwas erweiterter Blick auf die Website zeigt, dass es sich evtl. um Satire handeln könnte.
Aber da ist noch etwas anderes, die Geschichte enthält ein unglückliches aber leider verbreitetes Muster … der hinterhältige Trick besteht ja bekanntermassen oftmals darin, dass Satire und Realität zu nahe beieinander liegen.

Gehen wir das Muster kurz durch:

Da sind also zwei Personen – Die erste zeigt Begeisterung, die zweite ist längst darüber hinweg.

Erzählt wird aus der Perspektive der zweiten Person: Deren Motivation sind die Bilder, nicht eine Tätigkeit, und diese Bilder werden clumsy (unbeholfen) und overexpossed sein. Der Erzähler ist aufgrund der eigenen Erwartung bereits enttäuscht bevor er überhaupt Bilder gesehen hat, diese werden ihre $14.85 also nicht wert sein. Somit ist auch schon klar, dass der Nachmittag verloren war – wasting an afternoon taking pictures – welch sinnloses Unterfangen.

Auf der anderen Seite finden wir Jessica, Faszination und Tätigkeit. Sie macht einen Blick in die Zukunft und hat einen festen Glauben daran, etwas erreichen zu können, auch wenn die Blickdistanz im Artikel noch kurz und der Glaube gar konkret ist: I’ll be able to get some good shots of my grandma’s hands this weekend.

Was ist eigentlich das Thema des Textes? Es geht um nicht weniger als eine wichtigen Aspekt eines Lebensentwurfes … um die Berufswahl … um den Entscheid, ob es Berufung sein soll oder eine notwendige Tätigkeit zur Erlangung eines Einkommens … es geht um den Unterschied zwischen Lohn und Entschädigung.

Entscheidungen können aus Begeisterung getätigt werden oder aber auch aus einer zynischen Weltsicht … in diesem Fall nicht in Personalunion. Die erzählende Person weiss wie es kommen muss … das Ganze ist ja nicht neu, wie die Beispiele von Klarinette und Yogamatte zeigen. Der Erzähler wird durch seine Erwartung die Geschehnisse steuern, dadurch erhält das Ganze dann auch den Charakter einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Dass es so sein wird steht schon klar im Text: falsely informed family and friends Saturday that she was getting into photography. Vermutlich war diese Methodik schon erfolgreich beteiligt als die Klarinette und die Yogamatte den Weg unter das Bett fanden … wobei die Yogamatte ja noch zu verschmerzen wäre.

Die Frage die ich mir jeweils stelle wenn ich morgens gelegentlich Gespräche von Leuten auf dem Arbeitsweg mit verfolge: bei deren Arbeit ist nichts übrig geblieben was Sinn stiften könnte, welche Begeisterungen wurden wohl bei denen schon frühzeitig totgeschlagen?

Gruss
Andreas

P.S. Wenn sie also in Zukunft in einem Fotoforum ein hoffnungsvolles, zartes Foto-Pflänzchen antreffen, welches mit Begeisterung das erste Licht erblickt – so seien sie bitte einfühlsam und lassen die Begeisterung leben – die Welt würde nicht schlechter dadurch.

Angewandte Semiotik …

Heute bin ich einem Beispiel begegnet, welches den Unterschied zwischen Denotation und Konnotation perfekt zu illustrieren vermag, von der Rückscheibe eines chiquen Kleinwagens lachte mich das folgende Zeichen an:

yasui

Eine Denotation ist die Bedeutungszuordnung zu einem Zeichen – damit eine Kommunikation mittels dieses Zeichens funktionieren kann muss diese Denotation von mehreren Leuten geteilt werden – man muss sich also verstehen. Auf dieser Ebene dürfte das Zeichen in unserem Kulturraum nicht von allen verstanden werden.

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Historischer Autofriedhof Gürbetal

Ein paar Bilder vom historischen Autofriedhof Gürbetal habe ich der Galerie zugefügt.
Die Bilder sind das eine – die Geschichte hinter dem Ort etwas anderes.

Ich war mit Ali und Tinu Glauser dort – versucht, ein wenig von der Atmosphäre – dem Genius Loci würde Ali sagen – einzufangen, sowas ist immer ein auch experimentelles Unterfangen. Es sind nicht die einzelnen Wracks welche den Ort ausmachen, nicht die Details, es ist die Durchwebung von Natur und Wracks, die spezielle Situation des Wäldchens und dessen Licht. Man beginnt zu fotografieren, schaut sich um, probiert, irgendwann geht es – dann ist aber auch schon Abend und man sollte aufhören, versucht, den inspirierten Moment noch einen Moment hinauszuzögern, wissend, dass er plötzlich abbricht und an diesem Tag nicht wiederkommt.

Momentan geht es darum, den Autofriedhof verschwinden zu lassen – oft habe ich beim Fotografieren gedacht, die Schweiz sei zu aufgeräumt – eine weiteres Stück saubere Schweiz wird hier geboren. Für den Fotografen bleibt dann nichts mehr. Erstaunlicherweise gibt es eine Empfindungsdiskrepanz zwischen Realität und Fotografie. Was uns in der Fotografie gefällt ist real oft nicht erwünscht – verdrängte Gedanken, geheime Wünsche nach einer etwas weniger perfekten Welt, in welcher es dafür noch etwas zu entdecken gibt.

Gruss
Andreas

Wie man nicht fotografieren soll

Colin Pantall schreibt momentan in seinem Blog eine Serie von Artikeln zum Thema How not to Photograph.

Bemerkenswert ist, dass die Artikel nicht auf den technischen Teil der Fotografie eingehen, sondern den Motivaspekt behandeln, was zeigen wir in den Bildern, respektive um auf den Titel der Serie zurück zu kommen, was sollen wir gemäss seiner Ansicht nicht zeigen. Das ganze ist – sagen wir mal – recht prononciert. Bisher hat Pantall 15 Postings zu dieser Serie veröffentlicht.

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Analog …

Will man hierzulande etwas mehr als nur einzelne Filme aus einem Fotofachgeschäft tragen sollte man sich darauf einstellen, vorgängig eine Bestellung aufzugeben. Aber auch beim Internethändler meines Vertrauens finde ich Lagermeldungen wie z.B. 4 Filme an Lager. Man könnte derart leicht in Film-Endzeitstimmung geraten – aber es gibt zum Glück auch noch den Blick über Landesgrenzen, das Bild zeigt sich dort verändert – geniesst den Anblick: Analog at Yodobashi.

Für die ganz hartgesottenen Analogfans eröffnen sich auch noch weitere Möglichkeiten: Der Filminator.

Gruss
Andreas

Noch mal leben

Die Bilder von Walter Schels mit dem Titel Noch mal Leben schleppe ich jetzt schon einen Weile mit mir herum, sie wollen nicht aus den Gedanken gehen.
Walter Schels porträtierte 26 Personen in Erwartung des nahen Todes und dann ein zweites mal nach dem Tod. Das Thema Tod ist nie ein einfaches, die Bilder gehen es ruhig aber auch frontal an, kurze Texte begleiten sie. Gelegenheiten, etwas über das Sterben zu erfahren, sind selten geworden steht in der Einführung – in diesem Fall erfährt man wohl auch etwas über das Leben.

clavey

Der Link kommt etwas spät, die Ausstellung geht auf die paar letzten Stationen zu – andererseits bin ich überzeugt, das diese Bilder auch länger ihre Berechtigung haben.

Gruss
Andreas

Das Tao der Kriegsfotografie

Dies ist kein schönes Thema und auch nicht was man als Hobbyfotograf anstreben sollte. Trotzdem habe ich schon mehrmals Diskussionen zu diesem Thema miterlebt, Forenbeiträge im Sinne von Wie wird man Kriegsfotograf?.
Ich frag mich dann jeweils, was steht hinter dieser Frage.

Die Kriegsfotografie hat klar ein paar fotografische Ikonen hervorgebracht, Bilder welche sich oft gut eignen um den Wahnsinn des Krieges zu illustrieren. James Nachtwey hat mit dem Film War-Photographer dem Kriegsfotografen ein Gesicht gegeben – ein neuer Filmcharakter war geschaffen, ein durch Beschädigung gereifter Held. Klar, dass sich dieser Charakter auch gleich in anderen Filmen anwenden liess, als Beispiel mögen zwei Filme dienen: In my Father’s Den und The Interpreter. Interessant finde ich bei diesen Filmen, dass die Kriegsfotografie mit der Geschichte nichts zu tun hat, sondern nur dazu dient, Figuren eine Vergangenheit zu geben. Die Kriegsfotografie ist also die Filmwürze und nicht der Hauptgang, wenn das Gericht dann schmeckt wird wohl oft der falsche Schluss gezogen.

Eine andere Möglichkeit der Vernebelung ist dem Konzept der Embedded Journalists zu verdanken. Das Militär kontrolliert die Bilder, diese Art des Journalismus zeigt somit auch nur noch was gefällt.

Um jetzt zum Hauptpunkt zu kommen: Was bedeutet Kriegsfotografie den nun genau?
Der Anlass für diese Posting ist Bruce Haley, resp. sein Artikel Tao of War Photography (Link aus gutem Grund weiter unten). Ein Detail: Bruce Haley braucht meist das Wort Konflikt, nicht Krieg. Er führt 64 Punkte zum Thema an, vor lauter Sarkasmus sollte man nicht übersehen dass sie wohl ernst gemeint sind.

Beispiel: 57. If the soldiers you are accompanying believe that to die a martyr’s death admits them instantly to paradise, while you believe that to die a war photographer’s death probably just hurts a lot, these irreconcilable differences should give you pause for reflection.

Anyway, jetzt noch zu den Links, doch zuvor eine Warnung:

Wenn James Nachtwey zum Thema Kriegsfotografie sagt, eine gewisse Ästhetik sei notwendig damit die Bilder überhaupt geschaut werden (sinngemäss) – so könnte man sagen, dass Bruce Haley dieser Schule nicht folgt. Um es direkt zu sagen: Die Serie Burma Executions ist verstörend, als ich die Bilder sah fragte ich mich, wie konnte er fotografieren. Andererseits, hätte er da eingegriffen gäbe es hier ausser einem Nachruf wohl nichts mehr zu schreiben. Dies ist keine Kritik an Bruce Haley, es ist eher was bleibt wenn alle Naivität gewichen ist – dies sind wohl die erwähnten Beschädigungen des Helden und die Szenen, die den Sarkasmus in den erwähnten 64 Absätzen bewirken.
(Ich bin mir der Ambivalenz des Hinweises bewusst – Es ist ein allgemeines Verfahren interessante Plätze mit Warnhinweisen zu markieren – in diesem Fall ist dies aber durchaus auch ernst gemeint.)

Jetzt zu den Links:

Bruce Haley’s Tao of War Photography (nur Text)
Eine Anmerkung zur oben erwähnten Serie auch noch in Worten von Bruce Haley (nur Text)
Die Startseite.

So, die nächste Forendiskussion zum Thema Wie wird man Kriegsfotograf? kann kommen.

Gruss
Andreas

Wallstreet-Credo

Ein Text von Andreas Knapp – aus aktuellem Anlass würd ich sagen:

Wallstreet – Credo
man glaubt an den Dollar den allmächtigen
an seine Kaufkraft von Himmel und Erde und an den Euro
seinen ungeliebten Stiefsohn
ersonnen in kapitalistischem Geiste
geboren aus internationaler Profitgier
für ihn wird gelitten und gestorben
gekreuzigt und begraben
mag der Börsenkurs auch fallen
er wird am dritten Tage wieder auferstehen
und aufsteigen zum Höhenflug
von Tokio bis Frankfurt
mit ihm ist bestechbar
jedes Gericht
über die Lebenden und die Toten
man glaubt an den DAX
an die eine alles umspannende Weltbank
die Gemeinschaft der Spekulanten
an die Nichtvergebung der Schulden
an den Aufstieg der Aktien
und deren ewige Laufzeit
Amen

via: Bruder Klaus, Biel