10 mal Makrofotografie

Vor gut zwei Wochen ging zum zehnten mal das Modul Makrofotografie im Rahmen des Diplomkurses Fotografie im Zentrum Bildung in Baden zu Ende. 10 ist immer eine gute Zahl für ein paar Gedanken.

Man könnte das Gebiet der Makrofotografie aufteilen in die Bereiche «bis 1:1» und «darüber». Den ersten Bereich erschliesst man sich mit einem Makroobjektiv, etwas Aufmerksamkeit und Üben, für den zweiten Bereich ist es durchaus vorteilhaft ein gewisse Ahnung zu haben was optisch abläuft. Ich bin der Meinung, dass ein Diplomkurs nicht an der gleichen Stelle enden sollte wie die meisten Makroobjektive. Derart betritt also die Optik und damit auch die Physik die Bühne. Der technische Aspekt ist nicht bei allen Teilnehmern gleichermassen beliebt.

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Bild: Mit Stativ und Balgengerät im Botanischen Garten in Bern

Ich möchte auf dem Stoff der vorangehenden Module auf- und ausbauen, nachfolgendes aber noch nicht zu stark vorwegnehmen. Das Thema Makrofotografie wird daher mit einer links-rechts Kombination zu Tabletop ausgebaut und erste Elemente der Lichtführung kommen hinzu. Dazu baue ich das Fotografieren mit Blitz aus dem ersten Modul aus und lege zusätzliches Gewicht auf Lichtstimmungen, respektive auf deren Kontrolle durch den Fotografen. Praktisch geht es über den entfesselten Blitz zu den Begriffen Lichtrichtung, Lichtfarbe, Kontraste und Kontrolle von Tonwerten – und über die gezielte Wahrnehmung von Lichtstimmungen auch zur Available Light-Fotografie. So ergibt sich für das Thema also noch einen Ausläufer und das Modul nennt sich dann Makrofotografie und Available Light.

Der Begriff Makrofotografie ist an sich eine technische Eingrenzung der Fotografie, es gibt aber immer auch den thematischen Teil. Viele Teilnehmer bringen einen eigenen Motivbereich mit. Lebensmittelfotografie ist nicht das gleiche wie Schmuckfotografie und auch an Bilder von Vogeleiern für eine ornithologisches Fachbuch werden eigene Vorstellungen geknüpft. Jeder dieser Motivbereiche hat seine Sonderheiten, benötigt eine eigene fotografische Herangehensweise und verlangt nach spezifischen Lösungen.

Der erste Schritt ist die Formulierung einer Idee. Ideen kommen jedoch nicht aus dem Nichts, sie entstehen wenn man sich umschaut, in ein Gebiet hineinwächst und sich inspirieren lässt. Um für Kochrezeptbücher zu fotografieren ist es von Vorteil zu wissen wie die Kochszene tickt. Man kann aber auch schauen wie andere Fotografen an das Thema herangehen. Inspirationsquellen sind daher auch immer Fotobücher.

An die technische Realisation kann man sich dann anhand der Idee durch Beobachten herantasten. Beobachten wiederum bedeutet, zu wissen auf welche Aspekte man sich achten könnte und Herantasten wie dieser Aspekt zu beeinflussen wäre. Die Technik ist zurückgekehrt.
Es gilt also zu improvisieren, lichtführen, kontrollieren, optimieren und nicht zuletzt auch fotografieren. Ein Bild entsteht selten beim ersten Auslösen der Kamera. Dieses Beobachten und Herantasten an ein gutes Bild halte ich für einen wesentlichen Aspekt der Fotografie, er ist technisch und kreativ zugleich, hat jedoch spezifisch mit Makrofotografie nur noch wenig zu tun und ist innerhalb eines gegebenen Zeitrahmens auch am schwersten zu «unterrichten».

Gruss
Andreas

Fotografieren mit oder trotz Regeln?

Wie wendet man Kompositionsregeln beim Fotografieren an? Diese dürfte immer dann eine zentrale Fragen sein wenn Bücher oder Webseiten zum Thema Bildgestaltung gelesen werden.
Wenn ich mir das eigene diesbezügliche Vorgehen beim Fotografieren überlege komme ich zum Schluss, dass ich diese Regeln beim Fotografieren nicht im eigentlichen Sinne anwende. Ihren Nutzen entwickeln diese Kompositionsregeln eher indem ich über sie nachdenkte wenn ich nicht am Fotografieren bin, mir jedoch von den einzelnen Fragestellungen dies sich dazu ergeben versuche einen Begriff zu machen.

Ein paar Kurzgedanken dazu:

  • Um über eine Sache nachzudenken muss man sich dazu einen Begriff machen, resp. davon einen Begriff haben.
  • Es lässt sich nicht denken wovon man keinen Begriff hat.
  • Der gemachte Begriff stellt eine Abstrahierung dar. Wird der Begriff verwendet, so stehen dahinter jeweils das ganze Set einzelner Bedeutungen, welches zu eben diesem Begriff führte und fortan zusammen diesen Begriff ausmacht.
  • Die Sprache entscheidet somit, wie und worüber wir denken.

Ein Beispiel um diese zu verdeutlichen: Ich hatte mal einen Chef, welcher gerne mit Kunden ins Labor kam und jeweils die Aufgabe stellte: «Erklären sie in einem Satz was sie hier machen». Diese Aufgabe konnte meinerseits auf zwei Arten nicht erfüllt werden:

  • Die erste Möglichkeit bestand in der Verwendeung von Fachbegriffen, bekanntlich lassen sich mit den richtigen Begriffen auch komplexere Zusammenhänge in einfachen Sätzen darstellen. Das Problem bestand darin, das Fachbegriff mit der fachgebietspezifischen Art des Denkens verknüpft sind und deshalb nur innerhalb des Fachgebiets verstanden werden.
  • Die andere Möglichkeit des Misserfolgs bestand darin, die notwendigen Zusammenhänge in der Antwort ebenfalls kurz anklingen zu lassen und dadurch den vorgegebenen Rahmen zu sprengen.
  • Was der Chef nie erfuhr: Es gab noch eine dritte Art, die Aufgabe nicht zu erfüllen. Ich verwendete jeweils Begriffe aus seiner Begriffswelt – er glaubte dann unter dem gesagten etwas zu verstehen und zog anschliessend weiter. Was im Labor vor sich ging erfuhr er nie.

Abstrahierungen wohnt die Gefahr inne, dass man das individuelle in ihnen vergisst und der Begriff sich von der realen Welt absetzt und verselbstständigt. Dies kann unbeabsichtigt geschehen, kann aber auch beabsichtigt sein, bei politisch korrekten Begriffen zum Beispiel, oder zur Vertuschung der wahren Verhältnisse (wie z.B. beim Begriff «Kollateralschaden»). Dies sind dann die unglücklichen Momente, wenn wir nicht mehr verstanden werden – siehe Finanzbranche – oder eine Theorie nicht mehr in Praxis umsetzen können – z.B. bei der fotografischen Bildgestaltung.

Zurück zur Fotografie also. Nehmen wir als Beispiel die ausgelutschteste aller Regeln, den goldenen Schnitt. Anwenden bedeutet in diesem Falle, irgendeinen Punkt im Motiv zu wählen und diesen irgendwo innerhalb des Bildes zu plazieren, dass sich irgendwelche Verhältnissen im goldenen Schnitt einstellen. Dies ist doch recht unspezifisch – es wird gleich noch unspezifischer wenn wir uns die Alternative offenhalten, den Punkt nicht nach diesen Verhältnissen zu plazieren. Wir können uns daran halten oder eben nicht – so gesehen gibt die Regel genau gar nichts vor. Der Verdienst dieser Regel besteht darin, dass sie einen Begriff als Einfallstor zu einem Fragenkomplex betreffend der Einteilung der Bildfläche, resp. zu geometrischen Verhältnissen innerhalb des Bildes liefert.

So gesehen: Der Aufbau des Fotografen erfolgt parallel mit dem Aufbau von fotografischen Begriffen, zu welchen der Fotograf sich Gedanken macht. Der erste Begriff mag vielleicht «Schärfe» sein – fortan gibt er sich Mühe ein scharfes Bild zu erzielen. Bei Porträts wird der Kopf aber weiterhin in der Mitte des Bildes zu liegen kommen, weil der Fotograf sich dazu noch keinen Gedanken macht. Später wird er aufmerksam auf die Bildeinteilung, beginnt auf die Höhe des Horizontes zu achten – gleichzeitig wird er diesen auch gleich gerade ausrichten – und das Gesicht im Bild wird erstmals gezielt plaziert. Dies bedeutet jetzt nicht, dass das Gesicht nicht in der Mitte des Bildes sein wird, aber falls dem so ist wurde es vom Fotografen so plaziert während es zuvor nur dort zu liegen kam.

So führt jeder Begriff zur Bildgestaltung zu einem zusätzlichen Element. Der Fotograf wird diese Elemente intuitiv anwenden, so wie er eine Sprache spricht ohne andauernd deren Grammatik in Gedanken zu verfolgen. Jeder gestalterische Begriff wird so zu einem Wort im gestalterischen Wortschatz. Gleichermassen wie wir beim Sprechen auch nicht versuchen jedes uns bekannte Wort möglichst zu verwenden, wenden wir für die Gestaltung eines Bildes diejenigen Elemente an, welche sich im Bildgefüge als passend erweisen und erkennen, wenn sich ein ungewolltes Element einschleicht.

Gruss
Andreas