Vorlauf: Teil 3
Das zweite Mail war der Entschlussfassung offenbar dienlich – Der Web-Kopierer kommt zum Schluss, dass ignorieren eventuell nicht ideal wäre, meinerseits hatte ich nochmals angedeutet, dass ich an eine Lösung interessiert wäre, welche die Kirche im Dorf stehen lässt. Tatsächlich erhalte ich jetzt eine Antwort, inzwischen ging eine Woche ins Land, die Antwort ist also wohlüberlegt – sauber ausformuliert nehme ich an.
Ich lese:
Sehr geehrter Herr Hurni,
im Normalfall antworte ich nicht auf Mail, deren Absender ich nicht kenne. Aus dem Mailtext gehe ich davon aus, dass Sie jedoch eine gut gemeinte Absicht verfolgen.
Dennoch unterliegen Sie einem Irrtum. Es ist in der Tat so, dass viele Texte im Internet sich sehr gleichen, das liegt an der Art und Weise wie das Web und seine Interaktionen gehandhabt werden und ist Bestandteil der Internetkultur geworden. Da die von Ihnen angesprochenen Texte schon seit vielen Jahren auf unserer Vereinswebsite als Blog geführt werden, lässt sich Ihr Vorwurf schwer nachvollziehen. Nach Rücksprache mit dem Textautor kann ich Ihnen mitteilen, dass die Inhalte hauptsächlich von einem sehr bekannten Professor stammen, der auch einige gedruckte Bücher seit vielen Jahren auf dem Markt gebracht hat. So es eine solche überhaupt nachvollziehbar im Internet geben kann, ist eine Urheberschaft sicherlich einer anderen Person zuzuordnen, mit Sicherheit jedoch nicht Ihnen, zumal wir von der Existenz Ihrer Website auch erst durch Ihre Kontaktaufnahme erfahren haben. Allenfalls ist von Zufall auszugehen.
Es liegt uns jedoch fern, Ihr Schaffen gering zu schätzen. Blogbeiträge genügen nun einmal nicht den Formerfordernissen wissenschaftlicher Publikationen, sondern sind so etwas wie das gesprochene Wort. Auch hier kann schlecht verlangt werden, dass ein allfällig anderer Urheber ständig zitiert wird. Daher ist ein pragmatischer Umgang angebracht. Wir sehen uns als Fotoseite auch mit diesem Problem bei Bilddaten konfrontiert. Wir haben uns als nichtkommerzieller und gemeinnütziger Verein dazu entschlossen, uns zu freuen, wenn wir eigenes Bildmaterial auf anderen Webseiten wiederfinden, da das ja der beste Qualitätsbeweis ist.
Sie haben uns jedoch motiviert, in Hinkunft noch sorgfältiger mit Blogbeiträgen umzugehen. Wir werden in unseren nächsten Beratungssitzungen auch dieses Thema auf die Tagesordnung nehmen und vielleicht auch generell auf den Umgang von Urheberschaften auf der Website hinweisen.
Ich hoffe, Ihnen mit dieser Darstellung eine weitere Facette der Betrachtung gegeben zu haben und verbleibe
mit freundlichem Gruss
[…]ACHTUNG: Antworten erreichen mich nur auf office@[…]
Ich bin erst mal sprachlos, diese Art der Antwort ist natürlich eine knallharte Strategie, ich erkenne schlagartig den abgebrühten Kommunikationsprofi. Welchen Trick wendet er an? Er verwendet eine Zeitmaschine, ich finde mich urplötzlich und unvorbereitet im weltweiten wilden Web des ausgehenden 20sten Jahrhunderts, zu einer Zeit also, als 15 Jahre furchtbare Diskussion um Abgleich von Urheberrechten und fair-use erst noch bevorstanden.
Gehen wir seine Antwort kurz durch?
im Normalfall antworte ich nicht auf Mail, deren Absender ich nicht kenne.
Das scheint mir sinnvoll, wer weiss mit welch eckligen Krankheiten man sich anstecken könnte bei diesen unbekannten Mails – vor allem als Pressesprecher ist er da sicher einer erhöhten Gefahr ausgesetzt, ich an seiner Stelle würde den Mailaccount gleich ganz abschalten.
Aus dem Mailtext gehe ich davon aus, dass Sie jedoch eine gut gemeinte Absicht verfolgen.
Ja, das finde ich auch.
Dennoch unterliegen Sie einem Irrtum. Es ist in der Tat so, dass viele Texte im Internet sich sehr gleichen, das liegt an der Art und Weise wie das Web und seine Interaktionen gehandhabt werden und ist Bestandteil der Internetkultur geworden.
Wenn das so ist unterliege ich tatsächlich einem Irrtum
Blogbeiträge genügen nun einmal nicht den Formerfordernissen wissenschaftlicher Publikationen, …
Genau, es sind Blogbeiträge, niemand sagt etwas anderes, soweit kann ich folgen
… sondern sind so etwas wie das gesprochene Wort.
dann redet er mit fremden Zungen.
Da die von Ihnen angesprochenen Texte schon seit vielen Jahren auf unserer Vereinswebsite als Blog geführt werden, lässt sich Ihr Vorwurf schwer nachvollziehen.
«Viele Jahre» haben sieben Artikel hervorgebracht, davon mindestens drei kopiert, die anderen sind sehr viel kürzer und handeln von den Heldentaten des einen immer gleichen Mitglieds. Apropos Mitglieder, der Verein hat nicht sichtbar andere Mitglieder. Offenbar bemüht sich der Verein um grösste Diskretion – unter den Mitgliedern dürfen höchste Honoratioren vermutet werden. Es gibt auf dieser Vereinswebseite einen Autoren und insgesamt zwei externe Links, einer führt zur persönlichen Seite eben dieses einen Autoren, der andere Link ist defekt.
Nach Rücksprache mit dem Textautor kann ich Ihnen mitteilen, …
Den Artikel hat er unterschrieben, das mutet an wie ein Selbstgespräch? Das mache ich manchmal auch, aber ich schreibe das dann jeweils nicht in Mail-Antworten.
… dass die Inhalte hauptsächlich von einem sehr bekannten Professor stammen, der auch einige gedruckte Bücher seit vielen Jahren auf dem Markt gebracht hat.
Inhalte? Kopiert hat er nicht die Inhalte, sondern gleich den Text, und der stammt eher von einem weniger bekannten Professor, der auch schon eine Webseite mit exakt ebendiesem Text auf das Web gebracht hat.
So es eine solche überhaupt nachvollziehbar im Internet geben kann, ist eine Urheberschaft sicherlich einer anderen Person zuzuordnen, …
Urheberschaft im Internet kann er sich nicht vorstellen, kann sie aber trotzdem einer anderen Person zuschreiben, die er aber auch nicht benennen kann. Ich anerkenne hier den akrobatischen Gedankengang.
… mit Sicherheit jedoch nicht Ihnen, zumal wir von der Existenz Ihrer Website auch erst durch Ihre Kontaktaufnahme erfahren haben. Allenfalls ist von Zufall auszugehen.
Ein Text von 2002 Worten, davon 52 Worte am Anfang, die nicht so recht zum restlichen Text passen, anschliessend 1950 Worte identisch mit meinen Texten (in Schriftgrösse 12 sind dies 4 Seiten A4) mit ganz wenigen kleinen Abweichungen (Komma gesetzt, ein «und» weggelassen und ein neuer Satz begonnen), identischen Schreibfehlern (Line statt Linie, unterstütz statt unterstützt) und nebenbei auch die gleichen neuen Begriffe wie zum Beispiel «Rutschbahneffekt» erschaffen. Und dies war erst einer der drei Artikel.
In diesem Zusammenhang empfehle ich immer gerne das Infinite Monkey Theorem – auf diesen Zufall sollte man anstossen, *Glas heb*, Prost!
Es liegt uns jedoch fern, Ihr Schaffen gering zu schätzen.
Freut mich, dass er es nicht geringgeschätzt, sondern es für erstrebenswert hällt, gleich seinen Namen darüber zu setzen.
Blogbeiträge genügen nun einmal nicht den Formerfordernissen wissenschaftlicher Publikationen, sondern sind so etwas wie das gesprochene Wort.
Wissenschaftliche Publikation … er kennt die Erfordernisse Wissenschaftlicher Publikationen, so wie der Freiherr Dr. Ctrl-C von Guttenberg…
Auch hier kann schlecht verlangt werden, dass ein allfällig anderer Urheber ständig zitiert wird.
Einmal am Schluss die Quelle angeben würde in der Tat genügen.
Daher ist ein pragmatischer Umgang angebracht.
Dazu steht auf deren(seiner) Webseite zu lesen:
Das Material, die Bilder sowie der Quellcode dieser Site darf nicht kopiert, weiterverarbeitet, verteilt oder anderweitig genutzt werden, ausser mit vorheriger schriftlicher Zustimmung des Medieninhabers. Zuwiderhandeln wird ohne Warnung gerichtlich verfolgt. Alle Bilder unterliegen dem Copyright und Urheberrechtsschutz. Alle Rechte vorbehalten.
Pragmatisch nennt er dies, selber aber gleich den Rechtsweg beschreiten wollen.
Wir sehen uns als Fotoseite auch mit diesem Problem bei Bilddaten konfrontiert.
Tut ihr dies? Was könnte man bei euch kopieren?
Wir haben uns als nichtkommerzieller und gemeinnütziger Verein dazu entschlossen, uns zu freuen, wenn wir eigenes Bildmaterial auf anderen Webseiten wiederfinden, da das ja der beste Qualitätsbeweis ist.
Gemeinnützig also, und erst noch wurde ein Qualitätsbeweis erbracht.
Sie haben uns jedoch motiviert, in Hinkunft noch sorgfältiger mit Blogbeiträgen umzugehen.
Motiviert und noch sorgfältiger, das ist doch schon einiges. Ich bin fast schon gerührt.
Wir werden in unseren nächsten Beratungssitzungen auch dieses Thema auf die Tagesordnung nehmen und vielleicht auch generell auf den Umgang von Urheberschaften auf der Website hinweisen.
Beratungssitzungen, dieser Fotokreis scheint ja ein lustiger Verein zu sein …
Ich hoffe, Ihnen mit dieser Darstellung eine weitere Facette der Betrachtung gegeben zu haben …
In der Tat, eine weitere Facette, meine enge Sicht öffnet sich merklich
… und verbleibe
mit freundlichem Gruss
[…]
Ich grüsse sie auch, Herr […]
Ich hatte ihn dann nochmals angeschrieben, aber wie er so schön gesagt hat, normalerweise antwortet er nicht auf Mails von Leuten, die er nicht kennt.
P.S. Sollte die besagte Site aufgrund eines Zitats meinerseits identifizierbar sein, so wäre dies zwar nicht beabsichtigt, aber leider unvermeidlich.
Lieber Andreas ich kann Deine Empöhrung und Wut über diesen Menschen sehr gut nachvollziehen.
«Good artists copy – great Artists steal» sollte als Zitat bzw. Lebensweisheit
weitgehend bekannt sein.
Auch im politischen Umfeld ist der Grundsatz «je größer die Lüge – desdo einfacher wird sie geglaubt» weitreichend bekannt.
Was sich hierbei als roter Faden mit Deinem Fall verbinden läßt ist
der menschliche Archetyp der sich bedenkenlos und ohne schlechtes
Gewissen als Täter entlarven läßt.
Die gesellschaftliche Stellung und Bildung ist unterschiedlich,
vom Verteidigungsminister bis zum Vorgesetzten oder simplen
Internetnutzer………..
Hallo Andreas
naja was soll man da noch sagen? Frechheit siegt?
Ich bin mal sehr gespannt, was als Fortsetzung kommt. Rat und Empfehlung verkneif ich mir.
LG Thomas
*LoL*
«Aus dem Mailtext gehe ich davon aus, dass Sie jedoch eine gut gemeinte Absicht verfolgen.»
«Oh wie schön ist Panama»
Wo wir soch alle wissen, dass das Gegenteil von «gut» «gut gemeint» ist ..
Aber das hätte ich jetzt nicht von Dir gedacht, lieber Andreas, dass Du Texte abschreibst, und dann auch noch von richtigen Professoren! Die richtige Bücher veröffentlicht haben, und nicht nur … na ja.
Ich frage mich gerade welche Rechte man(n) verletzen würde
wenn man das Plagiat als Link hier öffentlich machen würde ?
Jeder Interessierte kann sich dann ja selbst ein Bild davon machen
und dem geistigen Langfinger einen entsprechenden Kommentar hinterlassen.
Cheers
Randle
Lieber Andreas
In der Tat ein «lustiger Verein», dieser Fotokreis… – und ein Genuss, Deine Blogtexte zu verfolgen. Du beherrschst eben nicht nur Mathe, Physik und Foto, sondern auch Sprache. Und so ist der Bösewicht aus dem kleinsten (aber nicht unbedeutendsten) Bundesland Österreichs natürlich längst identifiziert, ohne dass er hier je beim Namen gerufen wurde. Beim Kopieren Deiner Texte hätte er ahnen müssen, mit wem er sich anlegt. Aber nach dem Anschauen seines Wahlkampf-Videos befürchte ich, dass er die Welt so ahnungslos verlassen wird, wie er hineingeworfen wurde 😉
Wie auch immer, ich werde Deine Webpräsenzen weiterhin regelmässig besuchen. Neben dem Unterhaltungswert kenne ich keine vergleichbare deutschsprachige Seite mit derart umfangreichen, praxisnahen und präzisen Informationen zur Fototechnik. Eine Fundgrube par exellence für Räuber!
Herzliche Grüsse
Franz
«im Normalfall antworte ich nicht auf Mail, deren Absender ich nicht kenne»
Na, Herr Hurni, da haben Sie aber Schwein gehabt das sich der hohe Herr wenigstens dazu herabließ Ihre geistigen Werke zu kopieren, wenn er schon auf Mails des Autors nicht reagiert.
Wessen Geistes Kind da geantwortet hat ist leicht zu sehen: Erst Guttenbergen und dann das Ganze auch noch als besondere Gnade hinstellen das jemand sich dazu bequemte zu kopieren – quasi als Adelsschlag für den Kopierten. Ich nehme ja doch an das er das genauso sportlich sieht wenn die Chinesen die neuesten Logistikentwicklungen aus seinem Hause kopieren.
Hier sollte eigentlich etwas anderes stehen, aber dann fiel mir auf das ich wohl fehlinterpretiert hatte: ich nehme inzwischen an das die Argumentation des Herren lautete das *dessen* Blog sowas wie eine «schriftlich fixierte Rede» sein soll und das deswegen das Urheberrecht bzw. Zitierregeln nicht auf sein Blog zuträfen, da es ja nur eine in Schrift gegossene mündliche Rede sei. Nunja, dann wollen wir diesem auch die entsprechende Ehre zuteil werden lassen – und es ignorieren.
Hallo Andreas,
Ich bin bei der Recherche nach Schärfentiefe Vollformat-Crop auf deine Website gestoßen. Als Techniker bin ich vor allem an Technischem interessiert (sehr interessante und fundierte Infos bzgl. Fotografie. Danke!) und überfliege meist nur Seiten bis ich das Gesuchte finde. Als ich aus Neugierde dann auch in deinen Blog einige Zeilen las konnte ich nicht drumherum einige ganze Artikel zu lesen, nicht der Inhalte wegen, sondern der wunderschönen bissig ironischen und trotzdem freundlichen Sprache wegen. Ich sage es mal so: «Genau so tat i a gern schreibm kennen, brutal bearig!»
Zum Inhalt: mein Beileid. Leider passiert sowas immer wieder. Mir wurden bereits ganze Blogs geklont. Das war dann aber mehr eine technische Angelegenheit und die Urheber sind in weiterer Ferne zu suchen…
Grüße aus Südtirol
Ups: da fällt mir ein, dass ich gerade eben deine ganze Website (raub)kopiert habe. Runter gesaugt, mit einer App zum späteren offline lesen 😉 Verspreche aber, dass ich sofern die WLAN Reichweite es erlaubt, online lesen werde 🙂
Sachen gibt’s, hmm das Problem hatte ich zum Glück noch nicht.
Liebe Grüsse
Daniel Dyntar