Bleibe Amateur

Ein Amateur ist jemand, der etwas aus Liebe zur Sache tut. Das Wort Amateur kommt vom lateinischen amator, "Liebhaber", und von amare, "lieben". Das sollte man nie vergessen, denn in dem Wort liegt der Schlüssel zu Erfolg: Was man nicht mit Liebe tut, wird man nie wirklich gut machen. Auf Fotografie bezogen heisst das: Wenn man das Motiv, das man fotografieren möchte, nicht "liebt" – d.h., kein echtes Interesse an ihm empfindet – sollte man es übergehen und den Film für eine für eine bessere Gelegenheit aufheben, denn das Foto kann einfach nicht "gut" werden. Hier haben Amateure einen unbezahlbaren Vorteil gegenüber den "Profis". Berufsfotografen verdienen sich mit dem Fotografieren ihren Lebensunterhalt [...] sie sind nicht "frei". Dagegen fotografieren Amateure nur zu ihrem eigenen Vergnügen. Als ihr eigener Herr können sie machen, was sie wollen – sie sollten wahrhaft glücklich sein.
Leider wissen aber anscheinend viele Amateure dieses kostbare Privileg der Freiheit nicht zu schätzen, denn sie machen sich freiwillig zu Sklaven – Sklaven ihres Drangs zur Nachahmung. Unfähig, sich aus den Banden der Tradition zu lösen, fotografieren sie unentwegt die gleichen Motive, die schon längst "zu Tode strapaziert" worden sind, wahrscheinlich in der Annahme, was anderen Fotografen Erfolg einbrachte, müsste dasselbe für sie tun. "Andere machen doch Stillleben und Akte und Bäume und bekommen Preise dafür in Wettbewerben – ihre Bilder hängen in Ausstellungen und werden in Zeitschriften abgedruckt – warum sollte ich das nicht auch schaffen?" sagen sie mir. Meinetwegen, wenn es ihnen Spass macht; nur begreife ich nicht, wie es einem Menschen befriedigen kann, nur auf ausgetretenen Pfaden zu gehen.

Andreas Feininger, Richtig sehen – besser fotografieren, 1973

In einer Diskussion über "fine-art-printing" hat ein Teilnehmer mal entnervt festgestellt, dass hierzu wohl nur Pinien als Motiv in Frage kämen, weil kein anderes Motiv in der Lage sei, die Dunkelkammerkünste der Autoren so richtig zur Geltung zu bringen. (Er wäre dann mehr für "Crude-art-Prints".) So richtig dieser Einwand auch sein mag: Ich möchte eine Lanze dafür brechen: Wenn Ihnen das Fotografieren von Pinien und das kornfreie Abziehen auf 50x70 doch Spass macht! Es ist ihre Kamera, ihre Filme, ihre Zeit.
Und wenn sie als einziges Motiv Millimeter-Papier fotografieren möchten: Warum nicht! Ich habe nur einen Bitte, falls sie denn diesen Weg einschlagen: Belämmern sie mich nicht mit ihrem Werk. Warum sollte ich mir das ansehen?