Entschleunigen

Aus dem Gästebuch:

Kleiner Nachschlag meinerseits was das Technische betrifft. Du hast in einem Beitrag geschrieben das falls man einmal in einer Schaffenskrise steckt – dem Drang zur Neuanschaffung einer anderen Kameraausrüstung unbedingt abzuraten ist. Das kann ich so nicht unterschreiben.
Nun – jetzt im etwas «gereifteren» Alter, da ich die Phase der «technischen» Faszination schon überwunden habe darf ich wohl diese Weisheit weitertragen. Eine Veränderung zb. durch Formatwechsel bringt auch eine Umstellung der Arbeitsweise mit sich. Gerade im «digitalen» Zeitalter kann eine «Entschleunigung» durch weitaus aufwändigere Fotografie im Mittel.- oder Grossformat wahre Wunder bewirken. Man fängt plötzlich an viel bewusster über Licht, Komposition und Schärfe nachzudenken wenn einem die Werkzeugpalette des «Photoshop» nicht mehr zu Verfügung steht. Und – nach Jahren der Digitalen Fotografie bedingt durch berufliche Zwänge fühlt sich eine analoge 30 Jahre alte Hasselblad bestückt mit einem Schwarz-Weiss-Film irgendwie unglaublich sexy an.

Entschleunigung, da ist es wieder dieses eigenartig neue Wort, diese Zusammenfassung von Sehnsüchten.

Vorserst möchte ich vorausschicken, dem Eintrag im Gästebuch kann ich folgen, fast würde ich sagen, ich seh es ähnlich.

Beginnen möchte ich jedoch beim Konsum, ein zwar schon etwas betagterer Begriff, welcher ein neues Leben begann, indem Shoping zu Livestyle umdefiniert wurde.
In oben erwähntem Beitrag geht es schlussendlich auch um Shoping – die Idee etwas zu kaufen um ein unangenehmes Gefühl loszuwerden – Sinnsuche durch Geldausgabe.
Wir sprechen von Konsum wenn wir etwas kaufen, z.B. eine neue Kamera, langbrennweitige lichtstarke Objektive, eine Blitzanlage oder ein wackliges Stativ. Aus Konsum wird konsumieren und damit eine Tätigkeit, aber eigentlich haben wir nur Geld ausgegeben. Ist dies der Konsum? Besteht Konsum im eigentlichen Sinne nicht eher im Aufbrauchen von Gegenständen? In dem Sinne: Schuhe werden durch laufen konsumiert. Sind die Sohlen abgetragen und die Schuhe dadurch zum Laufen untauglich, dann haben wir sie konsumiert. Durch den Kauf wird also höchstens unser Geld konsumiert, was soweit allerdings noch keine überragende Leistung darstellt und entsprechend wenig Begeisterung auslösen sollte.

Indem wir uns aber fortan mit der erworbenen Fotoausrüstung beschäftigen beginnt der Konsum in obigem Sinne erst und was beginnt dauert bekanntlich. Konsum benötig also Zeit.
Könnte es sein, das dieses «Zeit benötigen» mit der öminösen Entschleunigung etwas zu tun hat. Aus Amateursicht ist «sich damit beschäftigen» wohl der zentrale Inhalt der Geschichte – und wohl auch der Kern des oben erwähnten Gästebuch-Eintrages, wofür ich mich bedanken möchte.

Gruss
Andreas

11 thoughts on “Entschleunigen

  1. Das erinnert mich an den vergleich eines amerikanischen Abtes (Name ist mir entfallen): Konsumieren als ständiges Vergrößern einer Brunnenschale (nicht genug bekommen können) – Genuss ist dagegen das Betrachten des überlaufenden Wassers auch eines kleinen Brunnens!

  2. Die Werbung macht uns zu Konsumenten……….
    Der Staat macht uns zu Steuerzahlern………..
    Die Kirche macht uns zu Gläubigen……..
    Die Arbeit macht uns zu Arbeitnehmern……..

    Was allem gleich ist – ist das es schleichend und nicht apprupt passiert.
    Doch sind wir einmal an den Karren gespannt scheinen die Räder immer
    schneller zu laufen – geht es Euch denn nicht auch so ?
    Wer hat dabei Zeit zu Atem zu kommen – von zur Ruhe kommen mal abgesehen ?

    Bedürfnisse werden geweckt um befriedigt zu werden – das ist der heilige Gral des Konsums. Das Zentrum unserer Wirtschaft. Die Nabe des Rades.

    Macht es uns Menschen aber glücklicher mehr zu besitzen ?
    Etwas noch schneller zu bekommen ?
    Verkürzt sich durch darauf warten auch die Freude – oder ist es nicht gerade anders herum ?

    Fotografie ist nur ein Spiegel seiner selbst.
    Für Manche ist es ein technisches Hobby bei dem ab & zu Bilder rauskommen.
    Für Andere eine Form Abbilder zu fertigen bei dem man sich gezwungener Maßen
    mit Technik auseinandersetzen muss.

    Auch mir fällt es zuweilen schwer dem mechanischen Glanz und Zauber zu wiederstehen. Das hat aber kaum etwas mit dem Prestige des Besitzes zu tun.
    Das Verlangen ist da schon etwas gerissener verborgen.
    Es ist wohl mehr ein beim betrachten eines Bildes ausgelöstes «wie» hat er das
    gemacht welches mich dazu bewegt mir ein Ausrüstungsteil zuzulegen.

    Das «Wie» ist aber eine vergleichsweise harmlose Frage – immer wichtiger
    ist mir in letzter Zeit eigentlich das «Warum» geworden und für diese Antwort
    werde ich mir wohl persönlich etwas mehr «Zeit» nehmen müssen………

  3. Kann man Entschleunigung auch als bewußteres Wahrnehmen und Genießen verstehen als Erweiterung der eigenen Erfahrung?
    Klar sag ich mir. Ob beim Essen, Trinken oder Fotografieren. Wir sind immer verführt, alles schnell schnell zu machen, nur keine Zeit verlieren.
    Doch sind wir nicht die immer in der Lage uns diesem Druck zu wiedersetzen. Am Arbeitsplatz muss man das erwartete Soll in einer bestimmten Zeit wohl erbringen.
    Doch in unserem privaten Bereich können wir diesem Druck bewußt die Langsamkeit entgegensetzen. Wobei natürlich die Werbung den Konsum unseres Geldes sehr gerne voran treibt in dem Produkte bewußt in der Haltbarkeit reduziert werden. Die Werbung setzt modernste Psychologische Methoden ein, um unsere Wünsche zu wecken nach immer neuen Gerätschaften, es ist dann teilweise ein Kampf mit sich selbst, um der Stimme der Vernunft zu folgen. Denn nur weil ein neueres Modell rausgekommen ist macht meine aktuelle Kamera doch nicht auf einmal schlechtere Bilder.

    LG Thomas

  4. Das Ziel unserer Konsum.- und Leistungsgesellschaft scheint aber zu sein
    das Rad des Wandels am Laufen zu halten. Wenn der Konsum abbricht wird
    das instabile Kartenhaus unserer Wirtschaft aus der Bahn geworfen ähnlich
    einem Hamster der in vollem Lauf versucht aus dem (Hamster)Rad zu entkommen.
    Man(n) weckt Sehnsüchte um sie dann auch befriedigen zu können ist nicht
    primär ein Mittel der Werbung – auch die Manipulation der Mächtigen funktioniert so.

    Fotografie ist nur eines der unzähligen kleinen Prismen in der sich diese Wahrheit spiegelt.
    Es ligt an uns selbst dem Blick daraus Stand zu halten und unsere Schlüsse daraus zu ziehen.

  5. Hallo
    darf ich nochmal den Anfang aufgreifen? Entschleunigen Konsum ?
    Ist das der richtige Ansatz?
    Woher kommt eigentlich die Motivation zur Entschleunigung? Nun die meisten erleben es im Alltag. Ãœberall muss alles schnell schnell gehen.
    Beim Bäcker ebenso wie an der Supermarktkasse, der nächste Kunde wartet schon. Angekommen in der Arbeit erwartet der Chef, das man seine Aufgaben mit maximaler Beschleunigung erledigt. Der gleiche Grund, der nächste Kunde (Auftrag) wartet schon. Das damit auch Kostenersparnis einhergeht sagt der Chef nicht laut. Weil er könnte ja auch ohne Beschleunigung mehr Personal einstellen um das Pensum zu schaffen.
    Dummerweise greift diese Mentalität schleichend auf einen selbst über. Auf einmal stehen wir an der Kasse oder beim Bäcker und es kann uns nicht schnell genug gehen. Warum nur ? Wir sind unterwegs und bekommen Hunger. Als geben wir uns die nächste Beschleunigung: Fast-Food schnell schnell und günstig muss es sein. OK auch einigermaßen genießbar.
    Aus diesem Grunde haben sich Menschen zusammen getan um dieser Spirale zu entkommen. Einige haben sich das Essen ausgesucht und bewußt langsames Speisen mit Genuß (damit auch Preis) entgegen zu setzen.
    Andere gehen bewußt zu Fuß und verzichten auf das Auto.
    Mit Blick auf das Fotografieren ist aber gleiches Verhalten feststellbar.
    Wir maschieren durch die Landschaft womöglich noch in der Gruppe auf Fototour ein kleines Städtchen zu erkunden und Bilder zu machen. Doch eh man es sich versieht kommt wieder die Beschleunigung und will uns antreiben. Wir wollen das und das noch sehen usw. und sofort.
    Also ist auch hier mit unserem Hobby irgendetwas passiert, was uns antreiben will. Und es tut ganz gut sich die Gründe und Ursachen etwas weiter gefasst anzusehen und dann auf die Fotografie wieder zu reflektieren.
    Es ist also etwas schleichendes und gemeines, welches uns in allen Lebenslagen antreiben will und wir sind gut beraten dies zu erkennen und dem nicht nach zu geben, sondern bewußt die Langsamkeit als Genuß und Steigerung der Lebensfreude zu nehmen.
    Das die Werbung uns natürlich manipuliert und dazu animiert immer neueste Gerätschaften zu erwerben, ist klaro dem Gewinnstreben der Mächtigen welche sich als heimliche Herrscher herausstellen geschuldet.
    Doch als Menschen mit der Fähigkeit Situationen zu hinterfragen sollten wir auch in der Lage sein uns diesen Manipulationen zu verweigern.

    Liebe Grüße Thomas

  6. Hallo Thomas ich bin durch Erfahrung zu der Erkenntnis gekommen
    das man sich einfacher tut etwas zu fotografieren wenn man es zumindest
    teilweise versteht und zu diesem Verständnis gehört ein bischen Interesse
    und Zeit. Wenn ich für meine privaten Fotoarbeiten Menschen fotografiere
    steht das Interesse an der Person im Vordergrund – primär und bedingungslos.
    Sobald ich dann dieses Abbild in mir habe ziehen wir los und versuchen
    diesen Eindruck in ein Foto zu transferieren. Brennweite – Kamera – Licht oder
    Hintergrund/Umfeld sind dann nur die Parameter die ich so lange verschiebe
    bis ich zufrieden bin. Manchmal ändert sich mein Eindruck der Person und ich
    muss es nochmal anders versuchen – kein Problem denn ich nehme mir die Zeit…

  7. Hallo Randle
    Zitat:
    Wenn ich für meine privaten Fotoarbeiten Menschen fotografiere
    steht das Interesse an der Person im Vordergrund
    Zitat Ende

    Das ist eine gute Einstellung. Besonders, wenn in den Bildern der Charakter der Person verdeutlicht werden soll. Auch dafür braucht man Zeit, aber auch Einfühlungsvermögen und Kreativität diese Gefühlswelt in Bildern auszudrücken.
    Du nimmst dir die Zeit dafür auch wunderbar, doch ist das alles?
    Mancher nimmt sich Zeit einen guten Film anzusehen, oder mit Freunde Skat zu spielen oder Sport zu machen. Und doch sind sie in allen anderen Dingen getriebene, von der Beschleunigung.

    Nachdenkliche Grüße
    Thomas

  8. Hallo Thomas – ob ich mit meinen Bildern den Charakter der Personen
    wirklich zum Ausdruck bringe oder nur meinen subjektiven Eindruck
    abbilde darüber wollen wir hier lieber kein «Fass aufmachen».
    Der Kern des Ganzen bleibt für mich aber immer noch «was sehe ich – bevor
    ich fotografiere».

    Liebe Grüße

  9. Hallo Randle

    ich habe vorsichtig versucht dich wieder auf den Pfad des Themas zu führen.

    Zitat:
    Der Kern des Ganzen bleibt für mich aber immer noch “was sehe ich – bevor
    ich fotografiere”.
    Zitat Ende:

    Das ist ja alles richtig. Und würde in «Bilder nehmen» oder «Technik vs Kreativität»
    klasse hineinpassen. Hier geht es primär um den ímmer schneller Verbrauch (Austausch) von Fotografischem Equipment. Ich habe das Faß nochmal etwas weiter aufgemacht, weil ich festgestellt habe, dass die Beschleunigung in vielen Bereichen unseres Lebens Realität ist auch in Verbindung mit Fotografie.
    Zur gemeinen Manipulation der Hersteller zum schnelleren Verbrauch iher Produkte google man einfach mal nach «Auf Zerstörung programmiert»
    Dann beschleicht einen ein seltsames Gefühl, das mit gemeineren Methoden wie Werbung der Verbrauch (Konsum) angekurbelt wird. Trifft das auch auf unser Thema «Fotografisches Equipment» langsamer Konsum welche wir uns wünschen zu?
    Noch nachdenklichere Grüße
    Thomas

  10. Hallo Thomas entschuldige wenn ich manchmal etwas weiter aushole
    und so von einem Thema ins nächste gleite.

    Nochmal zum Stichwort «Entschleunigung» – für mich bedeutet es mich
    ohne Eile mit einem Thema auseinander zu setzten.
    Mir Abseits des Alltags ein Refugium zu schaffen in der ich mich nicht
    (be)drängen lasse. Nun suggeriert uns Werbung auch durch Konsum
    die Erfüllung unserer Bedürfnisse und da ist eine Kamera wie auch ein Auto
    oftmals mehr als ein reines Werkzeug auch ein Statussymbol das nicht
    ersetzt wird wenn es ver-konsumiert ist im Sinne des verbraucht werdens
    sondern wenn es veraltet ist und deshalb den Zweck des Besonderen (Status)
    nicht mehr erfüllt.

    Mit meiner Liebe zu alten mechanischen Nikons erfülle ich mir höchstens
    den Status des Sonderlings – was ja irgendwie auch zutrifft.

    =)

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