Das Thema konstruktive Kritik entwickelt sich. Ein Gesprächsfaden von Andreas Allgeyer ist hinzugekommen, unsere Basis scheint mir ähnlich zu liegen, worin wir uns evtl. unterscheiden ist die Blickrichtung. Ich bin gespannt wohin es jetzt führt.
Ich versuch mal, auf einen einzelnen Punkt abzustützen:
Ich hatte einst versucht mich dem Thema ernsthaft und teilweise zurückhaltend anzunähern, in dem ich zu beweisen suchte, das es innerhalb so grosser Menschenansammlungen wie die heutigen Communities keine konstruktive Kritik in dem gewünschten Sinn geben kann. Ich scheiterte fruchtlos. Dieser geflügelte, kaum reflektierte Begriff ist nicht ab zu schaffen. Obwohl er es wert wäre.
Meines Erachtens nach ist der gewünschte Sinn der zentrale Knoten des Begriffs.
Fotografie ist eine raffinierte Mischung aus Technik und Kreativität.
Technik ist für jeden grundsätzlich lernbar, eine reine Fleissaufgabe, es existieren dafür klar definierte Begriffe und nicht zuletzt ist sie manifest als Artefakt, als Kamera, Objektiv, oder etwas abstrakter, als Marke. Über Technik lässt sich deshalb auch wunderbar diskutieren. Konstruktiv oder nicht sei dahingestellt, aber die Foren quellen über von Diskussionen zum Thema Welches Objektiv, Wieviele Megapixel oder Hilfe, mein Sensor rauscht. Das schöne daran: Technik macht Fortschritte, auch wenn wir in unserer persönlichen Entwicklung keine machen.
Im Vergleich dazu ist Kreativität schwammig. Zwar gibt es auch hier ein paar gern verwendete Begriffe – ich denke etwa an Goldener Schnitt oder Komplementärkontrast (Begriffe, welche mich immer vorsichtig werden lassen) – zumindest gefühlsmässig ist aber jedem klar, dass diese am Kern der Sache vorbeizielen, für mich persönlich zählen sie auch eher zur Technik, gerade weil sie oft und gerne mit Regelcharakter verstanden werden. Somit stehen wir mit dem Thema Kreativität vor dem Berg und jeder hofft, der andere möge endlich den lange ersehnten und einleuchtenden Ansatz bringen. In dieser Unfähigkeit wurzelt die Thematik um konstruktive Kritik.
Wenn Kreativität schon nicht diskutierbar ist, ist sie dann wenigsten erkennbar? Die besten Bilder gehören in die Galerie, doch was finden wir dort, Bilder von Eichhörnchen und Libellen sowie Landschaftsbilder – evtl. noch ein paar klassische Porträts. So hatte man sich dies nicht vorgestellt. Um die Wahl erfolgreich zu überstehen müssen die Galeriebilder einschneidenden Anforderungen genügen. Es reicht nicht, ein technisch mustergültiges Werk abzuliefern, das Bild darf auch keine anspruchsvolle Stellungsnahme erfordern und ein Thema, an welchem jemand Anstoss nehmen könnte ist chancenlos. Ich könnte mir vorstellen, dass sich diese Bilder gut verkaufen liessen, als Postkarte, nicht als Kunst. Diese Bilder dürfen wir deshalb als erfolgreich betrachten weil sie beim Betrachter problemlos ankommen, das ist immerhin schon einiges. Mit einem Anspruch auf Anerkennung als Kunst hingegen gibt es bei Mehrheitsentscheiden kein durchzukommen – solche Bilder stellen sie bitte zu ihren persönlichen Favoriten, welche sie als ihre persönliche Galerie verstehen dürfen. Ergo ist auch in der Galerie die erwünschte Erleuchtung nicht abzuholen und die Diskussionen zur Galerie gleichen deshalb im Tonfall auffällig denjenigen zur konstruktiven Kritik.
Solange das Thema als vorgespurter Weg verstanden wird, den man uns verweigert, lässt sich das Problem nicht lösen, auch nicht wenn man sich abspaltet und kleinere Communities gründet, nicht wenn man Knipser und Kleingeister ausschliesst, nicht wenn man sich auf Fineart beschränkt.
Das Problem lässt sich nur lösen wenn man die eigene Energie nicht in unbefriedigenden Diskussionen verpuffen lässt.
Wenn man Communities versteht als Dorfplatz, wie ich dies zu Beginn der Diskussion zu diesem Thema tat, bevölkert mit unterschiedlichsten Talenten, wenn man beobachtet, wertet, aussortiert, ausprobiert, zuhört, mitdiskutiert, über den Tellerrand schaut, dann ist da durchaus einiges zu holen, allerdings ist es eher ein diy-Angebot, welches man sich selbst zusammenstellen muss. Die Community in diesem Sinne ist nur ein für vieles offenes Umfeld, das man sich selbst förderlich einrichtet. Entsprechend findet man dann auch eine fast beliebige Anzahl kleiner Seilschaften, welche unterschiedliche Herangehensweisen pflegen.
Meine eigene fotografische Entwicklung ist stark beeinflusst von Personen, welche ich derart kennengelernt habe. Wir haben uns ausgetauscht, Bilder rumgereicht, diskutiert. Der Begriff konstruktive Kritik ist dabei wohl kaum gefallen (resp. nur in gelegentlichen Metadiskussionen wie jetzt), zumindest dem aufbauenden Sinn der gewünschten konstruktiven Kritik dürfte dies trotzdem nahe gekommen sein.
Gelegentlich leistet man sich dann sogar eine spezifische Kritik: Eine Person, welche ich schon eine Weile kannte, hatte immer recht schöne Stillleben gemacht, arrangiert, an ein Fenster gerückt mit natürlichem Licht. Plötzlich schlich sich in das Setup zur Beleuchtung eine Sparlampe mit ihrem grünstichigem Licht ein, das war insofern praktisch, als sich die Aufnahmen jetzt jederzeit auch ohne Tageslicht machen liessen. Ich hatte mich dahingehend geäussert, dass ich dies als Rückschritt empfände. Die Kritik brachte die Person im wahrsten Sinne des Wortes weiter, sie tratt aus dem Klub aus.
Gruss
Andreas
Mehr von diesem Stoff? : http://www.jazznrhythm.de/wp/?p=1819
jede art von kritik kann konstruktiv sein oder auch nicht – dass kommt immer darauf an ob und wie der kritisierte damit umgehen kann
Bei Deinen Betrachtungen zum Thema Internet-Foren – Neudeutsch Communities genannt
muss ich jedesmal schmunzelnd mit dem Kopf nicken. Dabei allerdings nur vorher achtgeben nicht zu nahe an eine soliden (Klage-)Mauer zu stehen da dies möglicherweise
sch(m)erzhaft enden könnte…………..
Hallo Andreas
deine Betrachtung sind sehr interessant zu lesen. Konstruktive Kritik über das Medium iNet & Communities dürfte schwer realisierbar sein. Weil einfach über das Schreiben allein zuwenig transprotiert werden kann.
Zumal in dieser Rubrik jeder seinen eigenen Eitelkeiten frönen kann und diese ungehemmt rauslassen kann. Selbst wenn ein Kritiker konstruktiv Kritik üben möchte um dem anderen damit zu helfen, ist das Gelingen fragwürdig. Denn es ist eine Kunst, Kritik zu formulieren ohne Beleidigend zu werden. Wann aber werde ich beleidigend, wenn ich denn anderen per se gar nicht kenne? Wann fühlt sich der andere auf den Schlips getreten obwohl der Kritiker das gar nicht wollte? Das kann noch gut gehen, wenn sich lernende freiwillig einer Autorität unterordnen, da dann das aufbegehren Aufgrund der Position unterbunden wird. Doch wie sieht es in Communities aus? Wer ist Autorität, und wer ordnet sich freiwillig unter, da es doch keinen Zwang gibt. Leider gibts dann viele welche Leiter und Führer sein wollen, aber wenige welche Lernende sein wollen. Oder wie war das schon im Kindesalter? Alle wollten Häuptling sein, doch keiner wollte nur Indianer sein.
Dein Beispiel, welche mit einem Austritt aus dem Club endete, ist wohl Folge eines (sich auf den Schlips getreten) fühlens, welche sich bewusten Denken entzieht und Reaktionen hervorruft, welche unangenehm sein können. Denn hat er doch erwartet, das sein sich abmühen und die neue Idee selbstredend gut ankommt. Kann jemand welcher sich ehrlich um sachliche und «gute» Konstruktive Kritik bemüht, mit dem ehrlichen Ziel den anderen weiter zu helfen, auf so etwas einstellen und bei seiner Kritik berücksichtigen? Im Gespräch des kleinen Kreises kann man darauf viel besser eingehen, weil man die emotionale Komponente sehen (hören) kann und darauf eingehen kann. Beim schreiben in Communities ist das aber so nicht möglich, also bleibt nur der riskante Weg auf dem Drahtseil.