Grundtypen fotografischen Übels

Dinge die als Amateur getan werden bedürfen meiner Ansicht nach keiner rationalen Begründung. Gelegentlich fotografiere ich ein unscheinbares Motiv auch nur um des Fotografieren Willen, um für mich zu sehen was ich daraus machen kann. Ich mache also nicht die ganze Zeit nur Bilder, gelegentlich probiere ich einfach etwas aus … so geschrieben mag dies ganz normal erscheinen.

Personen, deren Reflektionsvermögen bezüglich Fotografie zwischen den beiden ihnen bekannten Kategorien gestellte Familienbilder und durch Gebrauch schmuddelig gewordene Pornobildchen pendelt, stellen in solchen Momenten Fragen. An sich könnte ich darüber hinwegsehen wäre da nicht der Umstand, dass das Auftauchen dieser Personen zumeist auch das Ende des unbelasteten Fotografieren und Ausprobieren bedeutet.

Es gibt zwei mögliche Verläufe des sich abwickelnden Gesprächs.

Der erste Verlauf basiert zwar auf Unverständnis, aber immerhin Interesse: Oft habe ich einen Satz Postkarten eigener Bilder dabei, kann ihnen diese zeigen und das Gespräch wendet sich zum Guten … was bedeutet, dass ich mir jetzt die Lebensgeschichte des Gegenüber anhören darf. Meist erfahre ich dabei, dass sie auch mal eine Kamera besessen hätten, nicht selten eine Leica, und irgendwann hatte sie ihre Frau verlassen. Bösartigerweise denk ich mir dann jeweils, dass da ein Zusammenhang besteht, entweder waren sie so miserable Fotografen dass ihre Frau mit ihnen nichts mehr zu tun haben wollte oder sie missbrauchten die Kamera als Vorwand um Mädchen nachzustellen.

Der zweite Verlauf ist noch etwas unangenehmer: Auch er beginnt mit der Frage nach meiner Tätigkeit. An sich wäre offensichtlich das ich fotografiere, gemeint ist aber eher, was führen sie im Schilde. Und weil gleich zu Beginn klar ist, dass dies nichts Gutes sein kann, wird eine Antwort auch nicht abgewartet und es folgt unmittelbar das Aussprechen eines Verbots und die Drohung mit der Polizei. Die Polizei zu rufen ist sicher eine gute Idee, sie wird sich bestimmt freuen und bis dahin könnte ich einfach weiterfotografieren. Der ungebetene Gast wird diese jedoch nicht beiziehen und die Zeit geistiger Windstille auch nicht nutzen um seine Aussage auch nur kurz zu überdenken, sondern irgendwelches illegal-Gefasel aus dem eigenen Weltbild ungefragt darbieten. Meistens halten sie damit nicht allzu lange durch und dann beschleicht sie das dumpfe Gefühl, dass der grosse Bruder Polizei jetzt eben nicht da ist. Leider hat sich die der Fotografie zuträgliche Stimmung meinerseits noch schneller verflüchtigt und die Sache ist somit auch gelaufen.

Zurück bleibt die Idee, dass ein Amateur sich sicherheitshalber im allgemeinverständlichen Bereich bewegen sollte, sein Zentrum des Interesses darf sich nicht von demjenigen der Nichtinteressierten wegbewegen … ansonsten macht er sich verdächtig, wenn auch soweit noch unklar bleibt, wessen er sich verdächtig macht.

Andererseits erscheint damit die Idee des Rudelfotografierens plötzlich wieder deutlich attraktiver…

Gruss
Andreas

3 thoughts on “Grundtypen fotografischen Übels

  1. Die hier teilweise nebulös von Dir angedeuteten Archetypen
    refelektieren nur teilweise die auftretenden Möglichkeiten
    welche aber jedem der gerne «Street» oder «Menschen» fotografiert
    begegnen können. Unverständnis und Desintresse gepaart mit
    Misstrauen kanalisieren sich in Angst zu Abwehrreaktionen gegen einen
    sichtbaren «Missetäter».
    Wie ungleich lächerlich ist aber ein Schnappschuss in dem öffentlich
    zugänglichen Fußgängerbereich durch einen ebenso erkennbaren wie greifbaren Fotografen im Vergleich zu der inzwischen unüberblickbaren Anzahl der öffentlichen und privaten (versteckt und sichtbaren) Video-Überwachungs-Kameras die zeitgleich kontrolliert und unkontrolliert auch intimste Handlungen (Kaufhauskabine) unwissentlich protokollieren ?
    Wer fühlt sich dadurch in seinen Persönlichkeitsrechten beeinträchtigt ?
    Wer klagt gegenüber zahlreicher Privatfirmen auf Löschung der Aufzeichnungen ?
    Wer überwacht die Datenspeicher der Polizei ?

    Da ich es aber immer noch nicht lassen kann mir interessant erscheinende
    Menschen abzulichten habe ich es mir inzwischen mehrfach angewöhnt diese Personen anzusprechen – was natürlich auch Auswirkungen auf die Art der Darstellung dieser Portrait-Fotografie hat. Nicht immer schlechter als wie HCB oder Capa so ungefragt locker aus dem Handgelenk……..

  2. …………zudem ergibt sich duch das Gespräch teilweise die Möglichkeit
    den zuerst «aufgepoppten» Schlüsselreiz «Hey da interessiert mich was»
    noch weiter zu vertiefen. Offenes Interesse an der eigenen Person hilft
    manchmal dem Gegenüber Vorurteile zu überwinden und die Motivation
    des Foto-Schaffenden zu be-greifen.

  3. Nochmal – weils mir auf der Seele brennt – ein bischen Einblick aus meiner Gedankenwelt. Der Unterschied zwischen Amatuer (von lateinisch Liebhaber)
    und einem proffessionellen Fotografen besteht im Grunde nur darin das Einer
    der Beiden damit seinen Lebensunterhalt verdienen muss (der andere kann).
    Nicht das der nicht-berufliche-Fotograf (oder Liebhaber) minderwertigere Bilder
    fertigt oder sich nur mit minderwertigen Themen befassen sollte.
    Gute Bilder sind aber keine Frage der Technik sondern primär wie nahe man(n)
    einem Thema kommen kann oder wie tief es einem erlaubt wird in eine Sache
    einblick zu nehmen. Wissen, Verständnis und Einfühlungsvermögen sind für
    eindrucksvolle Fotos wichtig. Anbei ein Beispiel in Gestalt von Lee Jeffries:

    http://kwerfeldein.de/2012/05/18/mit-religiositat-und-mitgefuhl-unterwegs-auf-den-strasen-im-gesprach-mit-lee-jeffries/

    Ich denke das bei dieser «Zuschaustellung» so manch einer gerne den Zeigefinger
    emporstrecken würde bis er den Text gelesen und die Motivation dahinter verstanden hat.

    Genrebedingt würde ich Jeffries Bilder mehr der Portraitfotografie zuordnen
    als der Streetfotografie da es sich um keinen Schnappschuss sondern um einen
    im Dialog mit dem Motiv entstandenes (und EBV verstärktes) Abbild handelt.

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